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Arm oder frei? – wilde Hunde in Chile

Chile zählt mehr Hunde als Deutschland, fast jeder dritte unter ihnen ist ein Straßenhund. Die Streuner des Landes pflegen ein autonomes Leben. Doch können sie eine Bedrohung für ihre Umwelt darstellen. Und sie sind zugleich großen Gefahren ausgesetzt.

Arm oder frei? – wilde Hunde in Chile

Chiles Hunde in Zahlen

Deutschland verfügt über ein klares Reglement und eine breite Infrastruktur für die Haltung von Hunden – ob Leinenpflicht oder Gassivorgabe, ob gesonderte Hundewiesen oder öffentliche Hundekotbeutel. In Chile stellt sich die Situation etwas anders dar. Zunächst ein paar Zahlen:

  • Aktuell leben in Chile knapp 11,8 Millionen Hunde. Zum Vergleich: in Deutschland sind es nur 10,3 Millionen, bei einer mehr als viermal so großen Bevölkerung.
  • Gut die Hälfte der chilenischen Hunde lebt bei einem Halter oder einer Halterin.
  • 15 % der Vierbeiner hat ein Herrchen oder Weibchen, bewegt sich aber frei im Viertel und schaut nur ab und an mal zu Hause vorbei.
  • Und fast jeder dritte Hund in Chile (ca. 3.500.000 Tiere) ist ein Straßenhund.

Der Weg auf die Straße

Ursprünglich stammt der Hund bekanntermaßen vom Wolf ab und entwickelte sich im Zuge seiner Domestizierung und Sozialisierung der vergangenen Jahrtausende zum treuen Begleiter des Menschen. In Chile wendete sich irgendwann das Blatt wieder. Viele der Straßenhunde hatten schließlich einst einen Halter oder eine Halterin. Doch dann fehlten denjenigen plötzlich die finanziellen Mittel, der Platz wurde knapp oder die Hunde warfen zu viele Welpen. So wurden Hunde in Chile immer wieder ausgesetzt und auf die Straße geschickt. Hier führten sie ihr Leben fort, zeugten weiter munter Nachwuchs. Und alles bekam eine eigene Dynamik. Trotz der Initiativen der chilenischen Regierung wie Impfprogramme und Sterilisation, Verpflichtung der Registrierung von Haustieren und der Chip-Implantierung ist die Lage nicht beherrschbar. Überall in ganz Chile, in den Großstädten und auf dem Land, an der Küste und in den Bergdörfern, streunen wilde Hunde umher. 

Das Leben der wilden Hunde in Chile

Alleine und in Gruppen durchstreifen die Straßenköter ihr Viertel, riechen aneinander, necken sich, streiten und lieben sich. Sie begleiten Passant*innen geduldig oder enthusiastisch auf langen Strecken. In der heißen Mittagssonne liegen sie im Schatten der Häuser und halten ihre Siesta. Es gibt diese Momente, in denen die Hunde scheinbar ununterbrochen bellen. Ein buntes Orchester mehrstimmiger Gesänge ertönt, mit hellem Kläffen, bedrohlichem Knurren, rhythmischem Lautieren und anrührendem Jaulen. Aus Spaß verfolgen die übermotivierten Vierbeiner energisch Autos, um im Spiel mit dem Risiko erst im allerletzten Moment den Kopf einzuziehen. Und auf den frisch betonierten Wegen finden sich die gleichgültigen und freiheitsbewussten Spuren großer wie kleiner Pfoten. Die Welt der Straßenhunde in Chile hat an und für sich etwas sehr Sympathisches. Doch all das trägt auch seine Kehrseite.

Gefahr. Oder gefährdet?

Wilde Hunde ohne Erziehung und mit einem knurrenden Magen stellen eine Bedrohung für ihre Umwelt dar. Wobei das Problem vielleicht weniger von den eigentlichen Straßenhunden ausgeht. Noch größer ist womöglich das Risikopotential von Vierbeinern einzuschätzen, die zwar Herrchen oder Weibchen haben, von ihnen aber vernachlässigt werden. Sie hüten entschlossen das Terrain, doch ganz ohne Regeln und mit unbefriedigten Bedürfnissen. Zugleich macht die ausgestoßene Situation wilde Hunde auch zu Opfern. Sie leiden unter fehlender Pflege, Ernährungsmangel und den Gefahren auf der Straße, den Übergriffen und Quälereien von Menschen. Und sie leiden an Krankheiten – an Krätze und Infektionen, Parasitenbefall, Tollwut und Tetanus.

Wilde Hunde an Chiles Küste

Das Schicksal des Hundes

Die Situation der Hunde in Chile wirft bei dem Beobachtenden Fragen auf: Was ist das Schicksal des Hundes? Wie sehr hängt sein Glück von einem Begleiter ab? Ist seine Natur wirklich für den Menschen bestimmt, oder gehört der Vierbeiner raus in die Natur? Mit einem vertiefenden Blick verblasst zumindest ein wenig das romantisierte Bild des autonomen, selbstbestimmten und friedvollen Lebens der chilenischen Straßenhunde. Denn: liegt der große Streuner nun im Schatten der Mittagsonne, weil er das genügsame Leben genießt, oder weil er unterernährt, kraftlos und todkrank ist? Bellt er nur im Austausch mit anderen Kumpanen, oder wird er bald das Bein eines unvorsichtigen Fahrradfahrers hungrig ergreifen? Schlendert er gemütlich durch die Stadt, oder erwischt ihn das nächste Auto im wüsten Verkehr? Was ist der richtige Platz für den Hund? Ist der Straßenhund in Chile arm dran, oder frei?

Nun, und von den vielen wilden Katzen Chiles wurde hier noch gar nicht gesprochen…

Isla de Maipo / Santiago

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